Kontaktimprovisation und Grenzen verkörpern. Ein Widerspruch?
Muss ich Nähe zulassen?
Nein. In einem Tanzkontext, wo Berührung die elementare Idee ist, aber nicht einfach. Umso wichtiger auch da genauer hin zu schauen.
Wie kann ich Nein im Tanz verkörpern?
1) meinen Solo-Tanz tanzen als Freiraum, um danach eventuell wieder authentische Berührung zu finden.
2) klare Abstände kreieren mit der Reichweite der Hände oder Füße.
3) nicht „mitgehen“ bei Bewegungsflows: Richtungwechsel, widerstehen, mich wegpushen…
oder verbal:
4) bedanken, und gehen.
5) klar sagen: passt so nicht, bitte anders/aufhören/reflektieren.
Oder doch einfach „durchhalten“, weil weniger „aufwändig“?
Im Artoflistening Workshop war die Frage präsent: Was mache ich, wenn mein Tanzpartner(*In) mich nicht „hört“, meine Signale nicht checkt.
Die obigen Punkte waren nachvollziehbar, nur gibt es ja noch Beweggründe, warum wir nicht NEIN sagen können/wollen.
Da kamen dann Sätze wie:
„ich möchte den anderen nicht verletzen“
„ich möchte selbst achtsam sein“
„ich muss alles zulassen“
„ich muss es den anderen Recht machen“
Lieber uns selbst verbiegen? Lieber achtsam mit anderen als wie mit mir selbst? Woher kommen diese Ängste?
Bei mir selbst bin ich dabei einen Kindheitsschwur zu lockern, in dem ich mir ganz edel vorgenommen habe, für andere da zu sein. Aus einer Sehnsucht, dass jemand für mich da ist. Grundsätzlich ja eine wunderbare Haltung, aber nicht wenn es ein Mus(s)ter wird.
Kontaktimprovisation macht sichtbar, wie ich in Beziehung gehe. Meine Ideen, Vorstellungen, und auch tieferliegenden Überzeugungen. Es ist eben nicht nur Sport für mich.
Und klar kommt mit der Erfahrung und Skills nonverbales Vokabular dazu.
Und ja, als Kontaktimpro Lehrer kreiere ich natürlich auch Settings, wo Berührung „angesagt“ ist. Deshalb sag ich bei jeder Anfänger*innen-Klasse: „Wenn wer aus irgendeinem Grund pausieren möchte, bitte jederzeit. Es braucht keine Begründung, im Gegenteil ich feiere, wenn jemand spürt, dass er gerade eine Pause braucht/genug/ein NEIN hat.“
Und für die Praxis: Wie kann ich mein NEIN tanzen, meine Grenzen halten in Kontaktimprovisation. Hier dürfen ruhig noch mehr integrierende Übungen entstehen. Weil einfach ist es nicht.
Listening jedenfalls bedeutet für mich nicht von vornherein auf den anderen einzugehen. Listening bedeutet wahrzunehmen, was da ist: primär bei mir, dann erst beim anderen, im Raum.
